Rüdiger Heins studierte Pädagogik und Kulturwissenschaften. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller sowie Regisseur und produziert Beiträge für Hörfunk, Fernsehen und Internet. Er ist Dozent im Creative Writing sowie Gründer und Studienleiter des INKAS – Institut für Kreatives Schreiben in Bingen und Bad Kreuznach. Er organisiert auch Literaturveranstaltungen, interdisziplinäre Künstlerprojekte und koordiniert die Lange Nacht der Autoren in Bad Kreuznach, Bingen sowie St. Moritz; er erhielt mehrere Stipendien und Auszeichnungen für seine literarische Arbeit. Heins ist Herausgeber des Online- und Radiomagazins eXperimenta.
Sein Landart-Projekt Haiku-Garten erregte 2008 auf der Landesgartenschau in Bingen Aufsehen. Regelmäßig veranstaltet er Mailart-Aktionen und -Ausstellungen.
"... wenn er lächelt, bricht
das pure Chaos aus..."
Porträt des Schriftstellers Rüdiger
Heins .
Von Daniela Schütz
Er reiste als Obdachloser durch die Bundesrepublik,
filmte mit versteckter Kamera in Flüchtlingslagern und lebte
bei einem Indianerstamm in Zentralamerika:
Rüdiger Heins, Schriftsteller und Journalist, der sich im
deutschsprachigen Raum einen Namen als engagierter Autor für
Menschen am Rande unserer Gesellschaft gemacht hat.
Durch Interviews in Radiosendern, beim Fernsehen in Talkshows
und in vielen großen Zeitungen ist sein Name ein Begriff
für guten Journalismus geworden.
Bei edition maya erschien sein Buch: Der Ketzer von Veduggio.
Lyrik und Prosatexte sind Inhalte dieses ungewöhnlichen literarischen
Projektes. In den Texten zeigt Heins eine poetische Sprachkultur,
die teilweise experimentell, aber dennoch anfaßbar ist.
Mit dem Ketzer von Veduggio verlässt er die Gefilde sozialer
Brennpunkte, die er bis dahin beschritten hatte, und begibt sich
in den Olymp der Poeten.
schreiend in den spiegel schauen
mit kriegsbemalung auf den
lippen
und buddha knippst
die lichter aus
Ein früherer Gedichtband: maria auf dem
halbmond ist 1996 erschienen. Die Kritiker heben es in den Himmel,
so etwa Theo Breuer: "Ich möchte dieses Buch allen Lesern
empfehlen, die auf der Suche nach stillem Humor, unaufdringlicher
Ironie und hoffnungsvoller Empfindung innerhalb komprimierter
und pointierter Sprachgebilde sind!"
Heins, der nach einem schweren Autounfall einen Genesungsurlaub
im Himmeroder Kloster machte, schrieb während seines Aufenthaltes
die zarten Gedichte, die alle als Haiku geschrieben sind, einer
über tausend Jahre alten Dichtkunst, die in Japan immer noch
gepflegt wird.
singender nebel
wildgänse rufen zum tanz
die mönche schweigen
Ebenfalls 1996 erschien sein Buch Zu Hause auf
der Straße- verlorenen Kinder in Deutschland. Für den
Westdeutschen Rundfunk hatte er bereits eine sechzig Minuten Sendung
von Straßenkindern produziert, und viele Zeitungen haben
seine Reportagen und Features über dieses Thema veröffentlicht.
Wieder einmal hat er sich hier einem sozialen Thema verschrieben,
bei dem er eine Vorreiterfunktion hat.
"Die Arbeit an dem Straßenkinderprojekt hat meine Haltung
zu dieser Gesellschaft grundlegend geändert" resümiert
Heins, " ich habe den Glauben an sie restlos verloren, was
ist das für eine Gesellschaft, die ihre Kinder aufgibt? Der
Begriff Wegwerfgesellschaft trifft nun endgültig zu. Eine
Gesellschaft, die in der Lage ist, ihre Kinder wegzuwerfen, ist
auch dazu in der Lage, den Planeten Erde auf die Müllhalde
zu kippen. Punkt !"
Auf dem Gebiet der Obdachlosigkeit ist er Experte. Bundesweite
Einladungen zu Autorenlesungen, Podiumsdiskussionen und Interviews
in unterschiedlichen Medien zeigen die Bedeutung des Autors und
seiner Arbeit.
Rüdiger Heins war es auch, der das Problem der Obdachlosigkeit
zu Beginn der achtziger Jahre gezielt in die Öffentlichkeit
brachte. Auslöser war sein erstes Buch Verbannt auf den Asphalt.
In diesem Roman schildert er in eindrucksvoller Weise das Milieu
obdachloser Menschen, ohne ins Klischee abzurutschen. Die Literaturwissenschaftlerin
Dagmar Schemske aus München, schreibt über das Buch:
„Rüdiger Heins findet eine literarische Sprachebene,
die passagenweise sogar poetisch zu nennen ist." Hier ein
Beispiel aus Verbannt auf den Asphalt:
Die Krücken, die seine Beine
stützen, sind nur äußerlich. Für seine
Seele, seine geschundene Seele gibt es keine Krücken.
Da gibt es nur Betäubung. Eine Linderung für Stunden,
vielleicht auch für Tage - keine Heilung.
Nach der Veröffentlichung seines ersten
Buches folgten Stipendien, Preise und Einladungen zu öffentlichen
Veranstaltungen.
1993 kommt sein zweites Buch der Obdachlosenreport auf den deutschen
Buchmarkt. Der mit Rüdiger Heins befreundete Kölner
Schriftsteller Günter Wallraff, bringt dieses Buchprojekt
auf den Weg. Er ermutigt Rüdiger Heins auf die Straße
zu gehen, um in Wallraffmanier zu recherchieren. Er ist es auch,
der Heins an ein Verlagshaus vermittelt: "Der Unterschied
zu Wallraffs und meiner Arbeitsmethode besteht darin, dass die
betroffenen Menschen, mit denen ich während meiner Recherchen
zu tun hatte, immer wussten, dass ich an einem Buch arbeite. Das
gibt einem solchen Projekt eine andere Qualität, weil es
von der Szene mitgetragen wird!"
Mit diesem spannenden und gleichzeitig auch aufklärenden
Buch gelingt ihm der bundesweite Durchbruch in der Öffentlichkeit.
Nicht zuletzt deswegen, weil er seine eigenen Erfahrungen, die
er auf der Straße gesammelt hat, mit in den Obdachlosenreport
einbezieht. Erstmalig erscheint mit dem Obdachlosenreport ein
umfassendes Buch, das viele Hintergründe heutiger Obdachlosigkeit
aufzeigt.
Einer seiner Stärken ist die Bescheidenheit, mit der er seinen
Mitmenschen begegnet. Ein junger Autor, der bereits jetzt auf
ein erfolgreiches Schaffen zurückblicken kann. Einer von
jenen, die nicht auf einem literarischen Egotrip sind, um sich
gesellschaftlich zu produzieren, sondern einer, der auch etwas
für andere Menschen tut!
Er selbst sieht einen seiner größten Erfolge in der
Aufführung seines Tanz-, Sprach- und Musikstückes Triade
im Brandenburger Dom. Dort inszenierte er mit einer internationalen
Künstlergruppe auf allen drei Ebenen des Domes, Krypta, Mittelschiff
und Hochaltar eine multimediale Instalation: "Da war ich
mit meiner Kunst ganz nahe an dem dran, wo ich schon immer hinwollte,
irgendwo jenseits der Grenzen materieller Wahrnehmung. Die Aufführung
im Dom hatte etwas mit Licht zu tun", sagt er mit einem unverkennbaren
Lächeln auf den Lippen das für viele, die ihn kennen,
schon fast so etwas, wie ein Markenzeichen geworden ist.
" wenn er lächelt,
dann bricht das pure Chaos aus. Ich habe noch nie einen Mann
so lächeln gesehen wie ihn. Es würde mich nicht
wundern, wenn er mit diesem Lächeln den Vesuv zum Ausbrechen
bringen würde ..."
... schreibt Rüdiger Heins in seinem Prosatext
Der Ketzer von Veduggio. Er skizziert in dieser Geschichte seinen
italienischen Malerfreund Emilio Giossi, dem er bei genauerer
Betrachtung sehr viele Elemente seiner eigenen Persönlichkeit
literarisch eingewoben hat.
Viele Zukunftspläne hat er noch: " ich arbeite noch
an einem Romanprojekt, das sich über mehrere Jahre hinziehen
wird, in das ich aber sehr viel Kraft und Energie hineingebe.
"
Vermutlich werden wir in nächster Zeit noch viel von dieser
bemerkenswerten Persönlichkeit hören: "Ich mache
weiter, immer weiter. Ich bin an einem Punkt angelangt, wo es
kein zurück mehr gibt ...!“
Es gibt immer etwas zu tun. Rüdiger Heins wird nicht müde.
Sein Tageslauf ist ausgedehnt. Meistens beginnt er um sechs Uhr
morgens und endet gegen Abend. "Schriftsteller arbeiten halt
nicht mit der Stechuhr, aber immer gegen die Zeit!"