Apokalypse kroatisch

Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit das Bild zu vollenden. Draußen hört er bereits die Stiefel der fremden Soldaten über das Kopfsteinpflaster marschieren.
Tief gebeugt über den schweren Eichentisch – auf dem das Bild zwischen all den Bleistiften, Pinseln, ausgetrockneten Farbbechern und Skizzenblättern liegt – denkt er darüber nach, was noch bleibt, wenn dieser Krieg zu Ende sein wird. Nichts mehr wird so sein, wie es einmal war, kritzelt er ungeduldig auf einen Zettel.
Die Landschaft, die unter seinen Händen wächst, ist ein kahles Trümmerfeld. Eingestürzte Häuser liegen da vor einem brennenden Himmel, der die Nacht in ein Bild der Agonie verwandelt.
Der Frau, mit dem scheinbar schlafenden Kind in den Armen, malt er einen von Furcht und Angst durchsetzten Ausdruck ins Gesicht. Sie flüchtet vor der Feuerwand, die bedrohlich näher zu kommen scheint. Geborgen in der Wärme ihres Körpers, liegt geduldig das Kind an ihrer Brust.
Nur der kleine Junge, der den beiden hinterher rennt, blickt dem Maler nicht ins Gesicht. Schützend hält er seine Hände über dem Kopf verschränkt und sieht nach unten.
Eine Kuh, die sich den Fliehenden angeschlossen hat, blickt mit Schaudern in den Augen am Bildbetrachter vorbei. Sie rennt, die Zunge aus dem Halse hängend, jenen Menschen hinterher, denen sie vertraut.
Dabei waren es doch ausgerechnet Menschen, die dieses Entsetzen erst in ihr Leben gebracht hatten.
Irgendwo würden jetzt in diesem Augenblick Generäle, ebenso tief gebeugt wie der Maler über einem schweren Eichentisch liegen und mit ihren Zirkeln, Bleistiften, Linealen, die Stellungen ihrer Armeen in Karten einzeichnen. Jede Markierung, die sie mit gierigen Augen machen würden, sind Zeichen des Todes. Dort würden Menschen sterben, waren Menschen gestorben, verrecken Menschen – jetzt. Überall dort, wo ihre knochigen Finger über das Kartenwerk fahren wird geblutet, geweint, gekotzt. Fallen Menschen ihrem grausigen Kartenspiel zum Opfer.
Aber davon versteht die Kuh nicht, sie rennt nur, wie die anderen auch, um ihr Leben.
Noch einmal setzt der Maler seinen Pinsel, den er jetzt mit schwarzer Farbe getränkt hat, an. Zunächst malt er in den feurigen Himmel nur ein paar dunkle Stellen. Dann aber überkommt ihn ein Gefühl der Ohnmacht. Immer heftiger, ja schon in Ekstase führt er den Pinsel in den Topf und von da über das Blatt.
Als selbst die kleinste Stelle des Bildes schwarz übermalt ist, hat er das Gefühl, sein Bild vollendet zu haben.
Erschöpft von seiner Arbeit verlässt er sein Haus. Draußen riecht es nach Pulver, zerronnenem Schweiß und sterbenden Menschen. Er geht ein Stück die Straße hinab, sieht die Häuserruinen, die Feuerwand am Horizont.
Eine Frau, die ein Kind in ihrem Armen hält rennt, gefolgt von einem kleinen Jungen und einer Kuh, durch die Trümmer. Eine Weile sieht er den Fliehenden hinterher, so lange, bis sie in der Dunkelheit verschwinden und er ihre Schritte nicht mehr von dem Donner der Kanonen unterscheiden kann.
Er beugt sich vornüber. Sieht auf die Straße, die schwarz unter seinen Füßen liegt. Starrt und sieht nur noch das Schwarz der Nacht.

 

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